Erinnerungen deutscher Vertriebener aus Ostpreußen an das Lager Elsterhorst |
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Erinnerungen von Herrn Alois Huhn aus Lotterbach bei Braunsberg in Ostpreußen |
erschienen auf www.people.freenet.de/braunsberg/schicksale.htm |
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"Es war gegen 14.00 Uhr, der Zug hielt auf freier Strecke, und die Tür wurde geöffnet. Das Begleitpersonal rief, alles aussteigen, wir sind am Ziel. Als wir rausschauten, sahen wir eine Landschaft, alles eben. Auf den Feldern, die bearbeitet wurden und sehr gut in Ordnung waren, arbeiteten Bauern, die vor die Pflüge Kühe gespannt hatten. Das war ganz neu und etwas Seltenes, was wir noch nicht gesehen hatten. An den Feldrainen standen Laubbäume, Erlen und Weiden. Der Boden war schwarz, wie in der Weichselniederung. Der Waggonverantwortliche ging zum Zugverantwortlichen und wollte wissen, was los wäre. Er kam nach kurzer Zeit zurück und weinte. Er sagte, nun wir kommen zu den Russen. In Schneidemühl, wo die sowjetischen Offiziere dazugekommen waren, hatte es schon begonnen. Der Zug war von den Offizieren bereits dort übernommen worden. Weil viele Kinder und Jugendliche unter den Leuten waren, wäre der Zug nach Hoyerswerda umgeleitet wurde, und der Russe brauche Arbeitskräfte. Wir wollten diese Theorie erst gar nicht glauben, aber wir mußten uns dann im Lager eines besseren belehren lassen. Wir nahmen unser Gepäck und versuchten nun, nach und nach aus dem Waggon auszusteigen. Es war ja kein Bahnsteig oder ein erhöhter Bahnkörper, auf den wir steigen konnten, sondern wir mußten auf dem freien Gleiskörper aussteigen. Den älteren mußten wir helfen, denn sie kamen ohne Hilfe nicht aus dem Waggon heraus. In der Ferne sahen wir einige Baracken stehen, dort sollten wir hinlaufen. Der Weg war etwa zwei Kilometer, so liefen wir im Gänsemarsch ein Stück an der Bahnlinie entlang und dann weiter auf einem Feldweg, bis wir dann alle halb erschöpft im Lager eintrafen, es war der 11.11.1946. Vor dem Eingang standen sowjetische Posten, aber sie nahmen von uns keine Notiz. Nach dem Aussehen war es ein Gefangenenlager gewesen. Über dem Tor, durch das wir liefen, wehte die rote Fahne. Die kannten wir ja noch von dem GPU-Lager. Das Lager hieß Elsterhorst. In einem großen Raum sollten wir die ersten Informationen erhalten. Da wir fast die letzten waren, mußten wir draußen warten. Es kamen dann einige Männer, und diese verteilten uns dann auf die Baracken. So versuchten wir, daß wir aus Lotterbach wenigstens in eine Baracke kamen, was uns auch gelang. Wir suchten uns eine Pritsche, um unsere Sachen erst einmal abzulegen. Es hatte geklappt, wir waren alle zusammen. Nach und nach mußten wir noch einmal zum Aufenthaltsraum oder Speiseraum kommen und uns einige Informationen holen. In diesem Raum saß ein dicker deutscher Herr, etwa 250 Pfund schwer und daneben ein sowjetischer Offizier. Der deutsche Herr begrüßte uns sehr freundlich und freute sich, daß bei diesem Transport keine Ausfälle zu verzeichnen waren und die Fahrt alle gut und gesund überstanden hätten. Er sagte dann weiter, das Elsterhorst ein Quarantänelager sei und wir hier 4 Wochen bleiben müssen, bis alle Formalitäten erledigt seien. Die Verpflegung wäre gut, und wir würden uns hier bald wohl fühlen. Wir würden hier unsere neuen Ausweise erhalten und auch ärztlich betreut, was ja für uns sehr wichtig sei. Es hörte sich bis jetzt alles sehr schön an, dachte ich. Anschließend sagte er das Wichtigste. Nach den 4 Wochen Aufenthalt in diesem Lager würden wir in der sowjetischen Besatzungszone auf die Kreise aufgeteilt. Als er das verlesen hatte, ging ein gewisses Stöhnen durch die Menge, allen war uns unwohl dabei, als es hieß, wir bleiben in der sowjetischen Zone. Es kam die Frage, warum kommen wir nicht nach Hannover, wie es uns von den polnischen Behörden versprochen worden war, aber darauf bekam der Fragesteller keine Antwort. Der deutsche Herr sagte zum Schluß, in der sowjetischen Besatzungszone würden wir eine neue Heimat erhalten. Anschließend mußten wir wieder in unsere Baracken gehen und den Anweisungen der dort Verantwortlichen Folge leisten. In der Baracke stand in der Mitte ein großer Ofen, der mit Braunkohle gefeuert wurde. Die Pritschen, auf denen wir lagen, waren doppelstöckig, sie waren mit dem Kopfende zusammengestellt, aber mit einem Vorhang getrennt. In der Baracke waren zwei Reihen Betten aufgestellt, dazwischen ein Gang von 1,50 m, so daß jeder Insasse vom Fußende zu seiner Schlafgelegenheit kam. Die Sachen mußten wir daneben und vor den Pritschen verstauen. Neben dem Eingang stand ein größerer Tisch, Schränke gab es keine. Zum Zudecken gab es nur Decken, die jede Woche gereinigt wurden. Bettwäsche war keine vorhanden. Der Barackenleiter bestätigte, daß es ein Gefangenenlager gewesen sei. Durch den Lautsprecher wurden die wichtigsten Informationen durchgegeben. Als erstes sollten wir in der Küche Getränke holen. Ein Junge übernahm das Essenholen für seine Mutter und Geschwister, und ich übernahm es für unsere Familie. Für unsere Nachbarin brachte ich das Essen auch mit. Nachdem wir Getränke geholt hatten, gab man durch den Lautsprecher durch, daß wir auch noch essen holten sollten. Wir liefen gleich noch einmal zurück, weil kein Betrieb in der Küche war, bekamen wir gleich unsere Portionen. Es gab Gemüseeintopf, und da alle großen Hunger hatten, ließen wir es uns schmecken. In der Zwischenzeit war es finster geworden. Einige liefen schon zur Waschanlage. Nachdem wir gegessen hatten, gingen wir auch dorthin. Frauen und Männer wurden getrennt. In dem Raum, wo wir uns entkleiden mußten, war es sehr warm. Wir Jungens beeilten uns, legten die Sachen zusammen und gaben sie ab zum Entlausen. So waren wir gleich an der Reihe zum Duschen. Ein Wärter beobachtete den Betrieb. Es war ein herrliches Gefühl, sich wieder einmal richtig waschen zu können. Nach dem Duschen mußten wir in einen anderen Raum, wo es ebenfalls sehr warm war. Dort warteten wir auf unsere Sachen. Nach etwa einer Viertelstunde brachte uns eine Frau unsere Sachen, die noch alle sehr heiß waren. Wir hatten ja keine Läuse mehr, aber es sollte noch welche geben, die sie hatten. Die Sachen anziehen zu dürfen, war ein angenehmes Gefühl. Anschließend brachte uns die Frau noch eine Flüssigkeit gegen Kopfläuse. Mit dieser mußten wir unsere Haare einreiben, mit einem Handtuch umwickeln und noch eine halbe Stunde im Raum bleiben, damit wir uns nicht erkälten. Auf dem Heimweg trafen wir noch einen Jugendlichen, der sich uns anschloß, da er mit seinem Vater allein war. Seine Mutter hatten die sowjetischen Soldaten erschossen, da sie nicht mitgemacht hatte, wie es die Soldaten wollten. So verabredeten wir uns für den nächsten Tag, wenn sich die Gelegenheit bietet, die Gegend etwas zu erkunden. Mutter und meine Geschwister waren schon in der Baracke, sie waren eher fertig geworden. Ihnen hatte die Dusche auch sehr gut getan. Es dauerte nicht lange, da hatten sich alle zum Schlafen gelegt, und ein fürchterliches Schnarchen begann. Zuerst dachte ich, dies kann ja heiter werden, denn da kann keiner schlafen. Aber wir waren von der Strapazen sehr müde und sind bald eingeschlafen. Es war noch finster, da wurden wir durch die Stimme des Lautsprechers geweckt. Der Lautsprecher war so laut, daß es jeder in der Baracke hören konnte. Es war gegen 7.00 Uhr Der Sprecher war sehr höflich, wünschte uns allen einen guten Morgen und bat uns, waschen zu gehen. In jeder Baracke war am Ende ein Waschraum und die Toiletten, getrennt für Männer und Frauen. Durch den Lautsprecher wurden die Essenszeiten bekanntgegeben. Ab 9.00 Uhr gab es Kaffee, ab 12.00 Uhr konnten wir Mittag holen, und ab 17.00 Uhr konnten wir warmes Abendessen holen. Letzteres gab es nur zwei Tage für die Neuankömmlinge, bis wir uns eingelebt hatten. Vormittags gab es dann noch Butter und Brot, und das mußten wir alles am Rande der Betten unterbringen. Da wir 4 Personen waren, hatten wir zwei Betten bzw. Pritschen, unten und zwei oben in Beschlag genommen. Jede Familie bekam eine Lebensmittelkarte, auf der immer abgehakt wurde, wenn wir etwas geholt hatten. Ab 10.00 Uhr mußten wir alle, auch alle Kinder, in eine Verwaltungsbaracke, um unsere Personalien anzugeben, dieses war notwendig zur Ausstellung der Ausweise. Jeder mußte an Eides statt versichern, daß diese Angaben auch stimmten. Kontrollieren konnte dies jedoch keiner. Ich dachte so, jetzt kann einer falsche Angaben machen, und das merkt niemand. Die Leute, die die Angaben entgegennahmen, waren so ernst, als hätten sie es mit Verbrechern zu tun. Hier erfuhren wir auch, daß diese Lager unter Leitung der sowjetischen Soldaten stehet. Aber es waren doch Soldaten mit schwarzer Uniform, die öfters durchkamen. So wußten wir nun, daß wir in einem Lager waren, welches unter Kontrolle der Geheimpolizei stand. Nach dem Mittagessen gingen wir zu dritt und wollten uns die Gegend ansehen. Am Eingang stand ein Deutscher mit einer Armbinde. Der meckerte uns sofort an, wir sollten uns nicht weiter als zwei Kilometer vom Lager entfernen, sonst bekämen wir es mit den sowjetischen Freunden zu tun, die in dieser Frage keinen Spaß verständen. Wir suchten Kontakt zu den Einheimischen, aber es gelang uns nicht. Die Einheimischen sprachen zum größten Teil nicht einmal die deutsche Sprache, was uns etwas komisch vorkam. Wir waren in Deutschland, und sie sprachen nicht die deutsche Sprache. Wir konnten nicht begreifen, daß die Einheimischen gegen uns so abseits standen. Nachdem wir 8 Tage im Lager waren, suchten sie in der Küche Arbeitskräfte, denn es waren in letzter Zeit sehr viele Umsiedler gekommen, so bezeichnete man uns jetzt. Mein Kollege und ich meldeten uns für die Küche, und wir mußten am nächsten Tag gleich anfangen. Um 6.00 Uhr waren wir in der Küche. Da wir die ersten von den Arbeitskräften waren, wurden wir von der Leiterin, eine sehr verständnisvolle Frau, eingewiesen. Die anderen Frauen kamen erst gegen 7.00 Uhr. Wir wurden zu Transportarbeiten eingeteilt, mußten Feuerung, Kartoffeln, Gemüse und anderes zur Küche schaffen, auch für das Feuer im Kessel waren wir verantwortlich. Die Frauen waren zwar zu uns sehr freundlich, aber sprachen nur, was sein mußte. Das Essen für die Umsiedler und auch für das Küchenpersonal wurde nach Portionen eingeteilt, aber die Leiter des Lagers, die konnten soviel holen, wie sie wollten und wann sie wollten. Wenn etwas übrig geblieben war, konnten wir das mitnehmen. Fast jeden Tag hatten wir einige Portionen mitnehmen dürfen, aber es gab auch darunter Neider. Die Frauen sagten, daß nachts immer jemand in der Küche sei und essen hole, es fehle immer etwas. Erst nach einigen Tagen kamen wir mit den Mädchen und Frauen ins Gespräch, da sie wußten, daß wir aus einer katholischen Gegend kamen. Sie wurden gesprächiger und verrieten uns, daß es Leute gäbe, die Frauen angeschmiert hätten. Warum wußte keiner, und wer es war, wußte auch niemand. Sie konnten es nicht einmal beweisen, ob es Umsiedler waren, oder ob es nicht unter ihren eigenen Leuten welche gibt, die die Frauen bei der Verwaltung verraten hätten. Sie sagten, in der Verwaltung arbeiten nur alle die Roten, andere kämen nicht zu diesen Arbeiten. Über die Leitung äußerten sie sich gar nicht. Sie sagten, wir sollten sehr vorsichtig sein. In den 14 Tagen, in denen ich in der Küche tätig war, hatte ich auch gleich an Gewicht zugenommen. Wir teilten das mitgebrachte Essen mit einer Familie mit drei Kindern und unserer Nachbarin. Diese zusätzlichen Portionen, die wir für unsere Arbeit erhielten, hatte jedem, der etwas davon bekommen hatte, gut getan. Das Essen war sehr gut, aber eine Familie aus unserem Ort, die sich etwas abseits von uns eine Schlafstelle gesucht hatte, paßte auf wie Schießhunde. Sie hatten schon etwas bemerkt. Nach 14 Tagen sagte uns die Leiterin, daß wir am nächsten Tag nicht mehr zur Küche kommen dürfen, der Leiter habe es verboten, weil in einer Baracke, wo Ostpreußen lagen, Hungertyphus ausgebrochen sei. Wir wußten zwar von keinem Fall. Jedenfalls mußten wir aus der Küche raus. Die Leiterin sagte, so fange es an, denn wir machten abends Kontrollen und waren auf die Schliche gekommen, daß ein Angehöriger der Verwaltung sich abends in die Küche einschlich. Die Leiterin sagte, wir sollten abends noch einmal Kontrolle machen, denn die Frauen waren alle vom Ort. Sie sagte: "Ich stelle noch etwas zurecht, was ihr dann mitnehmen könnt," denn wir hatten ja noch die Schlüssel. Nachdem wir gegen 22.00 Uhr noch einmal zur Küche gegangen waren und an einem Kessel noch einmal angelegt hatten, klopfte es an der Tür und schrie, halt Einbruch, Polizei. Ich öffnete und zwei Mann stürmten mit einem Krug in der Hand in den Raum. Sie fragten: "Wo ist der andere?" Ich sagte: "Der muß im Kohlenbunker sein." Als sie ihn nicht fanden, sagte ich: "Der hat sich unter den Kohlen versteckt." Da der Kohlenbunker fast finster war, konnten sie ihn nicht überschauen. Sie ließen mich stehen und suchten nach meinem Kollegen, der schon weit über alle Berge war. Diese Gelegenheit nutzte ich und riß die Tür auf, die sie von innen verriegelt hatten, und lief so schnell ich konnte mit dem Krug in der Hand und versteckte mich unter einem größeren Gebüsch. Sie hatten es mitbekommen, daß ich ihnen auch noch entwischt war und kamen schimpfend nach draußen. Ich hörte, wie sie sehr laut sagten, hoffentlich haben sie uns nicht erkannt. Einer sagte dann, dies klären wir anders. Ich lief zur Baracke, klopfte ans Fenster, der Junge machte auch gleich auf, so konnte ich unbemerkt durchs Fenster zu meinem Bett gelangen. Das Essen hatte ich wohlbehalten mitgebracht. Wir hatten es zum Frühstück gegessen. Durch das Fenster konnte ich gelangen, weil an allen Fenstern Sachen hingen und somit nachts so gut wie alle Fenster verhangen waren, das war mein Glück. Ich war noch nicht eingeschlafen, da kam eine Kontrolle und ging durch die gesamte Bracke, sie suchten jemand. Wir waren ja öfters spät nach Hause gekommen und stiegen immer durchs Fenster, weil der Ausgang nach 19.00 Uhr nicht gestattet war, oder wir mußten uns jedesmal eine Genehmigung von der Verwaltung einholen, und die dauerte zwei Tage, bis wir sie bekamen. Mutter sagte: "Hat alles geklappt?" Und ich meinte: "Es ist alles in Ordnung." Am nächsten Morgen gab ich der Leiterin den Schlüssel. Sie sagte, es wäre schon jemand dagewesen, nachts wäre eingebrochen worden. Jetzt wußten wir, daß es jemand von der Verwaltung war, aber die Schuld wollten sie uns in die Schuhe schieben. Die Leiterin sagte, diese Schweine haben es schon immer so gemacht, wenn sie erkannt wurden, mußten die Leute raus, die sie erkannt haben. Sie meinte, daß sie aus der Küche als Leiterin ausscheide. Warum wollte ich auch gar nicht wissen. Eines stand fest, sie hatte keine Lust mehr, denn sie hat geäußert, sie könne es nicht mehr verantworten. Keiner von der Verwaltung würde ihr glauben, das hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehe. Es gingen viele Lebensmittel, die für die Umsiedler gedacht waren, hinten raus, und wenn sie nicht da wäre, also abends. Sie meinte, daß der Lagerleiter Unmögliches von ihr verlange. Wir haben nur gesehen, wie Fahrzeuge an den Hintereingang gefahren kamen, und sie mußte gegen ihren Willen Lebensmittel herausgeben. Nach einigen Tagen trafen wir, als wir spazieren gingen, einen Kollegen der Lagerleitung, mit dem wir uns gut verstanden. Er sagte, ihr habt verdammtes Glück gehabt, denn ein älterer Mann hat dich gesehen, als du nachts durch das Fenster eingestiegen bist und hat es in der Lagerleitung gemeldet. Sie waren sich aber nicht im klaren, was sie machen sollten. Ich sagte zu ihm, jetzt sei alles klar, wer nachts in der Küche immer Lebensmittel heraushole und jetzt wollten sie es auf uns schieben. Ich wußte gleich, daß unser Nachbar im Lager etwas mitbekommen hatte, auch an den anderen Tagen, wo wir später nach Hause gekommen waren, paßte es ihm nicht, denn sie bekamen ja nichts davon ab, und für alle reichte es auch nicht. So haben wir nur einer Familie mit 3 Kindern etwas abgegeben. Am Abend habe ich der Mutter von den drei Kindern dieses erzählt, daß wir einen Menschen bei uns haben, der uns verpetzt habe. Sie kam nicht darüber hinweg. Das Vertrauen zu diesem Menschen war verloren. Durch einen Vertreter der Lagerleitung wurden wir informiert, daß wir am 10.12.1946 aus dem Lager entlassen werden sollten. So ging das Einpacken wieder von vorn los. Am 09.12. bekamen wir unsere Entlassungspapiere. Jetzt hatten wir einen Ausweis und konnten uns ausweisen, wenn irgend etwas war. In den letzten zwei Jahren hatten wir nichts gehabt. Aber Mutter bekam auch noch etwas Geld. Am 10.12. war es dann so weit. Früh beizeiten holte ich Tee und verabschiedete mich vom Küchenpersonal. Nachdem wir gefrühstückt hatten, machten wir uns auf den Weg zu den Waggons. Sie standen wieder dort, wo wir ausgestiegen waren. Aber dieses Mal waren die Waggons zwar auch Viehwagen, es standen Bänke drin, wo wir uns hinsetzten konnten, und wir mußten nicht auf dem Boden sitzen. Der Bauer aus Lotterbach mit seinem zwei Geschwistern sonderte sich ab und wollte in einen anderen Ort, also nicht mit uns zusammen. Ich habe mir erst gar nichts dabei gedacht, aber die Mutter mit den drei Geschwistern sagte, guckt mal her, die haben ein schlechtes Gewissen, sie wollen mit uns nichts mehr zu tun haben. Es war uns egal, ob sie mit uns mitkamen oder in einen anderen Ort kamen. Die Waggons waren alle mit Nummern versehen. Wir aus Lotterbach kamen, außer dem Bauern mit seinen Geschwistern, alle in einem einen Waggon. Wir bleiben wieder zusammen. Das Zugpersonal kam am Zug vorbei und wies uns in die Waggons ein. Sie informierten uns, daß die zwei letzten Waggons in den Kreis Flöha kommen. Flöha wäre am Ende des Erzgebirges, es wäre eine sehr schöne Gegend. Dort würden wir auf die einzelnen Orte aufgeteilt. Sie wünschten uns viel Glück in der neuen Heimat. Als der Zug noch stand, kam eine junge Frau am Zug entlang gelaufen. Sie hatte erfahren, daß wir von Ostpreußen waren. Ihr Mann habe von Allenstein das letzte Mal geschrieben, und seitdem habe sie keine Nachricht mehr erhalten. Wir konnten ihr nicht helfen, und sie tat uns leid. Bei den Aufenthalten auf den Bahnhöfen durften wir nicht aus den Waggons aussteigen. Dieses Mal konnten wir die Türen von innen zumachen. Die Organisation klappte schon etwas besser als in Polen. Eine Begleiterin des Zuges sagte, nachdem wir mit ihr bei einem Aufenthalt auf einem Bahnhof ins Gespräch gekommen waren, daß die sowjetischen Offiziere die Züge von den Umsiedlern kontrollierten. Es habe schon die größten Schwierigkeiten gegeben, und sie hätten schon Männer aus den Zügen herausgeholt. In der letzten Zeit unterständen die Transporte dem Deutschen Roten Kreuz, aber trotzdem mischten sie sich immer wieder ein. Um 10.00 Uhr, nachdem der Zugführer noch einmal am Zug entlanggegangen war und einige Informationen bekannt gegeben hatte, setzte sich der Zug in Bewegung. Wir fuhren nach Hoyerswerda, in Richtung Dresden, vorbei an schönen Landschaften. Wir mußten aber auch in Dresden den Schutt und die Trümmer der Stadt ansehen. Dresden war ja nur ein Trümmerhaufen. Bis Dresden war die Landschaft eben bis hügelig, aber dann begannen die Wälder. Uns Jugendliche interessierte die Landschaft so sehr. Der Zug fuhr über die Elbbrücke, von weitem sahen wir die Hänge seitwärts von Dresden. Es ging weiter in Richtung Freiberg. In Freiberg wurden einige Waggons abgehängt. Es ging weiter in Richtung Flöha. Die Gegend war uns sehr fremd, als wollten wir ersticken, an beiden Seiten Wälder und Berge. Die Lokomotive keuchte den Berg hoch. Unsere Gedanken waren, die Gegend kommt uns so fremd vor, wie soll es erst mit den Menschen werden. Alle waren auf die nächsten Ereignisse gespannt. ..." |
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